Rezenszion Verquer 2

Erschienen im Kulturmagazin Kassel April 2005

Musikreise grenzenlos

Das junge Querflöten-Quartett VerQuer brilliert mit seinem Debüt-Album

Levadas heißen die künstlichen Wasseradern, welche die portugiesische Insel Madeira wie ein feines Geflecht von der höchsten Erhebung bis hinunter ins Tal überziehen. Das Wasser springt, rieselt, rinnt, gurgelt, plätschert, stürzt hinab. Ganz nebenbei spendet es auf dem Eiland seit Jahrhunderten Leben und üppige Fruchtbarkeit. "Levada" heißt auch die reizvolle Komposition (1998) für vier Querflöten von Heike Beckmann. Und so wie das 1999 gegründete Quartett VerQuer dieses von Funk-Jazz-Elementen durchzogene Musikstück interpretiert, ist das glockenklare, flirrende, in Bewegung geratene Element Wasser nicht nur zu hören, sondern man vermeint, es zu sehen, zu fühlen, zu riechen. Lebendige Musik. Alle Sinne fahren ihre Antennen aus. Die Fantasie allemal.
War man soeben noch vor Afrikas Westküste, so ist der Zuhörer mit dem nächsten Stück, Astor Piazzollas Libertango, auch schon in Argentinien, um dann über den Philadelphia Mambo von TioPuente wieder im tiefen Afrika zu landen. VerQuer - flutes unlimited, der Titel der aktuellen CD von VerQuer, jetzt bei upala records im Opal Verlag Kassel erschienen, ist Programm. Grenzenlos in Zeit und Raum gebärden sie sich, die vier von Britta Roscher, Stephanie Wagner, Maximlian Zelzner und Katrin Gerhard gespielten Bass-, Alt- und Konzertflöten. Dabei macht das junge, frische Quartett weder vor geografischen Grenzen halt, noch lässt es sich musikalisch in eine Schublade stecken. Da wird die Flöte zum Rhythmus gebenden Bass, zum stakkatohaften Perkussionsinstrument, klingt in Kombination mit stimmhaftem Spielen wie Oberton-Musik, um im nächsten Moment wieder mit orthodox-silberhellem Klang in die Herzen der Zuhörer zu dringen.
Ihrer Kreativität und ihrem interpretatorischen Einfallsreichtum lassen sich die drei Frauen und ein Mann an den Flöten keine Grenzen setzen. Beeindruckend ist das leichthändige Zusammenspiel von VerQuer. Da schlägt sich die gemeinsame musikalische Vorliebe und die deutliche Spielfreude in einer harmonischen Gemeinschaftsleistung wie aus einem Guss nieder. Und doch gelingt es jedem der Musiker seinen Charakter zu bewahren, ja, herauszuarbeiten. Ein Anliegen des Quartetts, die Erweiterung des zeitgenössischen Flötenrepertoires, wird mit der schönen abwechslungsreichen CD manifestiert. So wurden 2002 "The Priest and the Magician" des Österreichers Günther Zabernigg und 2004 "Silent Movie" von Benedict Brydern aus den USA durch VerQuer uraufgeführt. Auf der CD sind diese spannenden Kompositionen in die Nachbarschaft von Johann Sebastian Bachs Bourrée (in der nostalgisch-schönen Interpretation von Ian Anderson) sowie Heiner Wibernys "Ulla in Africa" verpflanzt. Sogar fordernde, spröde Stücke im Minimal-Music-Stil wie Anne LaBerges Rough Diamond (1997) finden, im Mix mit Kompositionen, in denen der so beliebte, brilliante Querflötenton zum Tragen kommt, gerne Gehör. "VerQuer - flutes unlimited" - die Einspielung weitet Seele und Horizont und kann als echte Entdeckung der Kasseler Verlegerin Veronica Kraneis - selbst international renommierte Konzertflötistin - angesehen werden.

Franz Hieß


Zurück zur Presse-Seite