Rezension Verquer

Erschienen bei clarino online print November 2004

VerQuer - flutes unlimited

Erfrischend abwechslungsreich blasen sich Konzert-, Alt- und eine Baßflöte durch die Musik der letzten Jahrzehnte. VerQuer hängt die Latte hoch und löst Vorurteile gegenüber zeitgenössischer Flötenmusik wie nebenbei in Wohlgefallen auf. Originalwerke für Flötenquartett und eigene Arrangements (teilweise mit Perkussion) halten sich die Waage. Was nicht passt, wird passend gemacht.
Zwei Ersteinspielungen liegen vor: "The priest and the magician" von Günther Zabernigg klingt beschwörend mit einem Augenzwinkern nach Gandalf, Obiwan Kenobi und Harry Potter (UA 2002). "Silent Movie" von Benedikt Brydern hält, was der Titel verspricht: Pralles Kopfkino, Strawinsky läßt grüßen (UA 2004).
Einfach und schön weht der "Libertango" von Astor Piazzolla aus Buenos Aires herüber, komplexer erinnert Tito Puentes "Philadelphia Mambo" an den Buena Vista Social Club.
Gutes Wetter herrscht ebenfalls bei "Ulla in Africa" von Heiner Wiberny, es groovt in den townships, 100-prozentige Gute-Laune-Musik in beiden Titeln. Mitreißende Rhythmik bringt auch "Mariam" von Dieter Weberpals, schon 1990 mit seinem Weltmusik-Quintett Argile eingespielt und jetzt perfekt arrangiert für vier Flöten und Perkussion.
Rockmusiker pflegen durchaus ihre Liebe zur alten Musik, besonders wenn sie wie Ian Anderson seine Band nach einem Schriftsteller des Barockzeitalters benennen: Jethro Tull verdankte damals viel der Bach-"Bourrée". Gesungene Flötenpassagen kommen einem verzerrten E-Gitarren-Solo ziemlich nahe.
Diese Spieltechnik verwendet Anna La Berge durchgängig in "Rough diamond". Deshalb klingen die Flöten nach synthetischen Samples, Expressionismus trifft auf Industrie-Design, absolut beeindruckend.
Dem Jazz gewidmet geht es weiter mit Heike Beckmann. "Levada" heißen alte Hohlwege auf Madeira. Immer wieder tauchen zirpende Grillen zwischen dem Groove auf, quasi eine unplugged-Party im Starlight Express.
Zum Abschluß spült "Peace" von Horace Silver sanft die Ohren. Wenn Jazzharmonien Farben gleichen, wärmt dieses Stück in Multicolor und alles wird gut.

Ellen Svoboda


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